Andreas Butz als Laufcampus Trainer. Durch seine langjährige Erfahrung weiß er, warum man Fehler aufschreiben sollte.

Warum man Fehler aufschreiben sollte...

Eine persönliche Geschichte über Trainingsfehler in der Marathonvorbereitung wider besseres Wissen und wie man seine Lehren daraus ziehen kann.
Laufen für ein starkes Unternehmen Du liest Warum man Fehler aufschreiben sollte... 8 Minuten Weiter Enzyme: Essen Sie Leben!

und wie man aus Fehlern klüger werden kann

Eine persönliche Geschichte (Nov. 2018)

Bei meinem Herbstmarathon wollte ich es nochmal wissen. In den 11 Jahren zuvor, seit dem Echternach-Marathon 2007, bin ich Marathons nur gelaufen, aber nicht gerannt. Das heißt, zu meinen mittlerweile 141 Marathons sind in dieser Zeit 70 weitere hinzugekommen. Aber diese habe ich nur als "lange Dauerläufe mit Verpflegung und Finisher-Medaille" gesehen, jedoch nie als Rennen im eigentlichen Sinne.

Nun, mittlerweile 53 Jahre alt, wollte ich nochmal wissen, wo ich beim Marathon stehe. Wie nah würde ich wohl – im ersten Schritt – nochmal an meine alten Bestzeiten rankommen? Kann ich diese dann – im zweiten Schritt – vielleicht sogar nochmal angreifen? Überlegungen die kommen können, wenn man verstanden hat, dass man den biologischen Leistungszenit wahrscheinlich überschritten hat.

Klar, ich bin langsamer geworden. Aber warum? Biologie oder Unterforderung durch fehlende Reize? Das waren meine Gedanken, die in mir nochmal das Marathonrennfieber haben auflodern lassen. Der Läufer Andreas wollte wissen, was noch geht, und der Trainer in mir war neugierig zu erfahren, wie schnell es mit über 50 gelingen kann wieder Schnelligkeit auf die durchaus vorhandene Ausdauerform draufzupacken.

Mit Plan zum neuen Ziel

Zunächst über 10 Kilometer. Gefühlt war ich immer ein "unter 40-Minuten-Läufer". Meine ersten Versuche vor zweieinhalb Jahren belehrten mich eines Besseren. 42:30 Minuten standen beim ersten Versuch im März 2016 in der Ergebnisliste. Zurück auf dem Boden der Tatsachen. Ein Jahr gewissenhaftes Training habe ich gebraucht, um mich im März 2017 an gleicher Stelle wieder auf 39:30 Minuten zu bringen. Im März 2018 konnte ich diese Zeit bestätigen. Jetzt wusste ich, da geht noch was, sicher auch über die Marathondistanz.

Mein neues Ziel von unter 3:10 Stunden über die Marathondistanz in Frankfurt am 28.10.2018 war in meinem Kopf und ich trainierte gewissenhaft. Alles lief nach Plan – nach einem individuellen Laufcampus Trainingsplan – ich hatte viele lange langsame Läufe und auch weitere Wettkampfresultate waren in Ordnung. Es lief alles, bis ich in den letzten Trainingswochen vor dem Frankfurt Marathon gleich eine ganze Serie an Fehlern in mein Training einbaute.

Es begann mit dem Köln Marathon am 07. Oktober 2018, drei Wochen vor dem Saisonhöhepunkt. Ich habe mich als Brems- und Zugläufer für 3:45 Stunden zur Verfügung gestellt. Dies in Absprache mit Rennleitung und den Pacemaker Kollegen, dass ich ab Kilometer 35 eine Endbeschleunigung machen könne. Meine Beine waren beim Marathon müde, durften sie in der letzten sehr umfangreichen Woche auch sein, aber es lief gut und die Endbeschleunigung im Marathonrenntempo (< 4:30 min/km) ging lockerer als gedacht. Jetzt wusste ich, die Form stimmt, dass mit der 3:09er Zeit wird klappen.

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Knackpunkt Mallorca - die letzten drei Wochen

Drei Tage später wurde ich bei unseren Laufcamps auf Mallorca erwartet. Schon im Flugzeug merkte ich, dass eine konsequente Laufpause jetzt eigentlich besser wäre. Der Köln-Marathon war rückblickend anstrengender als erwartet, eine Planänderung Richtung trainingsfrei wäre richtig gewesen. Aber die Teilnehmer und Laufcampus Trainer meiner Laufcamps hatten sich auch auf mich gefreut, also lief ich bereits am Mittwochabend mit. HIIT stand auf dem Programm, hochintensives Intervalltraining. Plötzlich stand ich, von meinem Trainerteam in Reihe mit den anderen Camp-Teilnehmer gerückt, auf dem Sportplatz und sollte mitmachen. Mist, aber "als Chef" jetzt drücken wäre auch blöd gewesen. Wenn auch nur kurz und intensiv, drei Tage nach dem Köln-Marathon war dieses Training für mich total falsch platziert.

Meine Abwehrkräfte waren von der intensivsten Trainingswoche noch angeschlagen, die Fenster waren offen und so hat er zugeschlagen, der Open-Window-Effekt. Donnerstag und Freitag dennoch locker weiter trainiert. Dabei wäre eine absolute Laufpause viel besser gewesen. Habe ich am Samstag dann endlich gemacht. Dafür am nächsten Tag gleich der nächsten Fehler. Ich wollte mein Team Laufcampus unterstützen. Wir waren mit 49 Teilnehmer unserer Laufreise zum Palma de Mallorca Marathon am Start, da wollte ich als 50. das Team natürlich verstärken. Also bin ich das 10-Kilometerrennen gelaufen. Zwar mit begrenztem Schaum, ohne Uhr und nach Körpergefühl, in nur 41 Minuten, aber völlig unnötig und - wie ich heute weiß - die angeschlagene Fitness weiter angreifend. Ich wusste schon beim Rennen, dass das blöd war, aber Mallorca, die Sonne, die Lauffreunde. Ich entschied mich für die selbsterfüllende Prophezeiung „Et hätt noch immer jot jejange“ (Wir schon irgendwie gut gehen).

Auch in der Woche danach, nur noch zwei Wochen bis zum Saisonhöhepunkt, bin ich locker weitergelaufen. Der kleine Infekt wollte partout nicht weg. Zu viel um sich fit zu fühlen, zu wenig, um auf meinen Verstand zu hören. Stattdessen hat mein Läuferherz am Freitag wieder Juchhu geschrien, als ich 10 Tage vor dem Frankfurt Marathon mit meinen Laufcamp-Teilnehmern noch einen 30er laufen konnte. Sehr langsam, aber dennoch zu viel, zur falschen Zeit. Acht Tage vor dem Marathon fühlte ich mich endgültig richtig angeschlagen. Ich ahnte, dass ich meine Form durch Trainingsfehler in der so wichtigen Regenerationsphase ruiniert hatte.

Das Rennen - der Saisonhöhepunkt

Der Marathon kam, ich fühlte mich keineswegs top. Wind und kühle Temperaturen halfen uns Teilnehmern auch nicht gerade. Aber ich wollte mich nicht drücken und habe es einfach versucht. Eisern gekämpft, Kilometer für Kilometer, begleitet von meinem Freund Lars Schweizer. 5-Kilometer-Zwischenzeit für Zwischenzeit, habe ich mich an meinem Ziel unter 3:10 Stunden festgebissen. Doch ich ahnte schon vorher, was ich bei Kilometer 32 dann endgültig wusste: Die Kraft war zu Ende. Von jetzt auf gleich.

So gleichmäßig ich vorher meinen 4:30er Schnitt gelaufen war, so gleichmäßig packte ich nun bei jedem Kilometer eine Minute drauf. Auf den letzten 400 Metern musste ich stehen bleiben. Die Beine machten zu, verkrampften sich. Ich schaffte es wieder loszulaufen. Im Marathonziel hatte ich meine Wunschzeit um 11 Minuten verpasst. Ich war enttäuscht.

So seltsam es jetzt klingen mag. Für diese harte Erfahrung war ich als Trainer schon unmittelbar nach dem Zieleinlauf dankbar. Und schon am Abend fasste ich neuen Mut, wusste ich doch, war ich so überzeugt davon, dass dies nicht mein wahres Leistungsvermögen war. Ich war so sicher, dass ich mehr draufhabe als ich zeigen konnte, dass ich mich gleich für einen nächsten Versuch bei einem Frühjahrsmarathon entschied.

Ich machte fünf Tage Pause, dann einen lockeren Trainingslauf am Samstag und erlief mir, sieben Tage nach dem Frankfurt Marathon, bei einem Traillauf in der Region über 16,5 Kilometer, in meiner Altersklasse den dritten Platz. Gut für die Birne, schlecht für die Beine. Es sollte der vorletzte Fehler meiner beeindruckenden Sammlung gewesen sein. Mein Selbstbewusstsein jubelte und meine Beine wimmerten leise. Erst als ich mittwochs mit einer lieben Kundin noch ein Personal Training mit intensivem Lauf-ABC gegeben habe, schrieen sie richtig laut auf. Nun konnte ich nicht mehr laufen, meine Beine ließen keine weiteren Fehler mehr zu.

Ich habe gefühlte zehn Kardinalfehler in vier Wochen gebraucht, um zu verstehen, um wieviel nachsichtiger (dümmer) der Läufer Andreas, gegenüber dem Trainer Andreas ist. Der Trainer hätte längst eine gelbe und dann gelbrote Karte gezückt und den Läufer vom Trainingsplatz genommen. Doch der vor lauter Kraft strotzende und daher übermotivierte Läufer machte weiter. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte.

Warum ich meine Geschichte so vor euch ausbreite?

Es gibt eine Trainerweisheit die besagt, dass ein Trainer sich nie selbst trainieren sollte. Ihr ahnt warum, mit sich selbst ist man nachsichtiger und weniger konsequent. Ein externer Trainer ist da unbequemer und ehrlicher.

Und, ich halte es für wichtig, in Phasen der rückblickenden Vernunft, seine Fehler aufzuschreiben, damit man sich in künftigen, vergleichbaren Situationen daran erinnern möge und die Fehler dann idealerweise nicht wiederholt. Denn es wird die Zeit kommen, dann werde ich, dann werden wir, liebe Leser, wieder gut drauf sein und wieder vor lauter Energie nicht ruhig sitzen können. Dann will ich es, wollen wir es, wieder wissen. Aber dann muss ich mich auch an den Wert der Pausen erinnern, den Wert des Zurücknehmens, dem Krafttanken und der Zellerneuerung Raum schaffen, um beim Saison-Höhepunkt topfit zu sein. Tapering nennt die Trainingswissenschaft diese Phase, wenn von den drei Trainingsbausteinen Dauerlaufen, Tempotraining und Regeneration die Regeneration der mit Abstand wichtigste ist. Und dann werde ich Läufer diese Geschichte hier weiterschreiben und dem Trainer in mir sagen:

„Siehste, ich kann’s ja doch!“

Mögen euch diese Zeilen helfen, selbst klüger zu sein,

euer Andreas

Nachtrag:

Das Marathonseminar in der Laufcampus Akademie

Auch wegen dieser Geschichte veranstalte ich in der Laufcampus Akademie zweimal pro Jahr ein zwei- bis dreitägiges Marathonseminar, mit allem Drum und Dran, mit Leistungsdiagnostik, Lauftraining, Vorträgen, Vollwerternährung, Faszientraining und vielem mehr. Hier informieren: Marathonseminar

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